Rocket Internet hat Vendomo abgehakt. Nur einmal auf Folie 51 der aktuellen Investorenpräsentation hat die Unternehmensschmiede vermerkt: Das Businessmodell sei doch nicht so attraktiv wie gedacht. In einer Telefonkonferenz mit Journalisten streifte Oliver Samwer das Thema ebenfalls kurz. Sein Tenor: Zumindest habe der kurze Ausflug in die Makler-Branche nicht die Bilanz kaputt gemacht. Bloß weniger als fünf Millionen Euro seien von Vendomo und zwei weiteren geschlossenen Ventures verbrannt worden.
Während sich Samwer nun auf andere Geschäftsmodelle konzentriert, steht die Frage weiter im Raum: Warum hat Rocket Vendomo so schnell aufgegeben?
Vor weniger als einem Jahr – im Juni 2015 – war das Startup noch hoffnungsvoll gestartet. Rocket wollte mit dem Unternehmen von einer Gesetzesänderung profitieren. Seit dem vergangenen Sommer gilt bei der Wohnungsvermietung das sogenannte Bestellerprinzip. Das heißt: Wer den Makler beauftragt, muss ihn bezahlen. Und das ist in den meisten Fällen der Vermieter. Das neue Gesetz rief einige Startups auf den Plan. Makler-Plattformen wie Homey, Wunderagent oderDomiando wollen dem Vermieter lästige Organisationsarbeit abnehmen.
Rockets Ansatz war etwas anders:Vendomo sollte von der Exposé-Erstellung bis zur Schlüsselübergabe alles übernehmen. Ein digitaler Ersatz des traditionellen Maklers zu einem Festpreis von 499 Euro. Den Hausverkauf sollte es für fixe 2.900 Euro geben. Als Berliner Konkurrenz startete McMakler mit einem identischen Modell. Beide haben sich an dem britischen Player Purplebricks orientiert, der gerade erst an die Börse gegangen ist und bisher eine gute Kursentwicklung aufweist.
Was ist also anders am deutschen Markt? Offiziell teilt ein Sprecher von Rocket Internet mit: „Den Makler komplett zu ersetzen, hat als Geschäftsmodell in Deutschland nicht so gut funktioniert wie erhofft.“ Das hätte man schnell festgestellt und sich zurückgezogen. Gründerszene konnte in den vergangenen Wochen mit mehreren Personen aus dem Umfeld von Vendomo sprechen und hat die Probleme des Geschäftsmodells im Detail ausgemacht.
1. Problem: Mieter zu vermitteln lohnt sich nicht
Es ist viel Arbeit, ein Exposé zu erstellen, einen Besichtigungstermin zu organisieren und die Unterlagen von potentiellen Mietern aufzubereiten. Die Vendomo-Leute hätten schnell gemerkt, dass sich mit der Vermittlung von Mietern ohne solide Software nur schwierig Geld verdienen ließe, heißt es von mehreren Seiten.
Besonders die Besichtigungstermine müssen zwangsläufig von Mitarbeitern vorgenommen werden. Ein Branchenkenner, der nicht genannt werden möchte, sagt: „Das würde nur nach dem Foodora-Prinzip funktionieren.“ Also ein Mitarbeiter, der drei Besichtigungen pro Stunde erledigt. Doch das lohnt sich erst mit einer hohen Auslastung, die es am Anfang nicht gab.
Hinzu kommen weitere Probleme: Wer ein teures Loft vermieten will, kann Interessenten nicht mit einer Massenbesichtigung abspeisen. Die benötigten Dokumente wie Gehaltsauskünfte seien oft unstrukturiert per Mail gekommen. „Es gab kein Rocket-Modell, das ähnlich funktioniert und dessen Plattform Vendomo hätten nutzen können“, so der Insider. Eine ausgeklügelte Plattform zu bauen, wäre teuer und zeitaufwendig gewesen. Die Hausverwalter hätten außerdem nicht gut digital kommuniziert.
2. Problem: Der Fokus fehlte
Die Vermietung und auch den Verkauf von Immobilien anzubieten, sei der große Fehler gewesen, sagt Alexander Knuppertz. Er ist der ehemalige Vendomo-Pressesprecher, der jetzt als Leiter Content Marketing für die Agentur ROI Immo Online arbeitet. „Zwar wird sowohl die Vermietung als auch der Verkauf von Maklern angeboten, aber es sind beides komplett unterschiedliche Geschäftsmodelle, für die separate Teams aufgebaut werden müssen“, sagt Knuppertz im Rückblick. Die Zielgruppen seien völlig anders, die Fragestellungen unterschiedlich.
Bei einem Hausverkauf müsste der Wert des Hauses vermittelt werden, Bodengutachten können eine Rolle spielen. Dafür ist die Entlohnung für den Makler am Ende sehr viel höher. Bei der Vermietung ging es vor allem um eine effiziente, digitalisierte Organisation.
Und so setzte das Rocket-Venture seinen Fokus schon bald auf den Hausverkauf. „Die Story mit dem Bestellersystem war schön, aber das hat einfach nicht funktioniert“, berichtet ein anderer Branchenkenner. So sagten es auch die beiden Geschäftsführer Erik Fasten und Sascha Meskendahl bei einem Gespräch mit Gründerszene im November.
3. Problem: Die Leads für Hausverkäufer sind teuer
Wie kommen Hausverkäufer überhaupt auf die Idee, ihre Immobilie mit Vendomo zu verkaufen? Diese Frage sei zentral für das Geschäftsmodell gewesen, so der Insider. Denn die Zielgruppe – also die Hausverkäufer – ist etwa Mitte 50 und nicht unbedingt im Internet unterwegs.
Außerdem gibt es nur wenige Google-Suchworte, die infrage kommen. Die Kombination „Haus verkaufen“ sei bereits von anderen Playern besetzt, heißt es, und die gut positionierten Lead-Plattformen würden die Anfragen teuer verkaufen. Wenn also jemand auf seiner Seite angibt, ein Haus verkaufen zu wollen, reichen die Plattformen diese Anfrage mit einem Preis von mehr als 1.000 Euro weiter.
Ein Preis, der sich für einen lokalen Makler durchaus lohnen kann. Für Vendomo mit seinem Festpreis-Modell ist das hingegen schwierig. Und die günstigeren Leads musste sich Vendomo mit anderen Maklern teilen. „Ein Lead kostete etwa 160 Euro und dann bekamen noch zwei andere Makler die Daten, mit denen wir konkurrieren mussten“, erklärt der Insider.
4. Problem: Die lokale Konkurrenz der Makler ist stark
Auch sonst könne man kaum gegen die Makler vor Ort bestehen, sagt der Branchenkenner. „Gegen einen lokalen Makler zu konkurrieren, ist schwierig. Der steht gleich am nächsten Morgen mit einem Kuchen bei dem potentiellen Kunden vor der Tür und sagt: ,Wir können das bei einem Kaffee ja mal besprechen.‘“ Vendomo hätte nur sagen können: ,Wir sind ein junges Unternehmen aus Berlin, wir kommen nicht vorbei und wir haben auch keinen Kuchen, aber du musst für den Verkauf 2.900 Euro bezahlen.‘ Das könne nicht besonders erfolgreich funktionieren.
5. Problem: Die Hausverkäufer wollen keinen Festpreis bezahlen
Ein weiteres Problem des Modells: Das Startup hätte erst einmal erklären müssen, warum der Verkäufer den Preis für den Auftrag zahlen sollte. Dass sie dadurch am Ende eventuell einen hohen Verkaufspreis hätten durchsetzen können, überzeugte die potentiellen Kunden nicht immer.
In Großbritannien ist das dagegen üblich. Ex-Vendomo-Mann Knuppertz erklärt: „Purplebricks holt sich die Provision vom Verkäufer. Auch die traditionellen Makler in UK nehmen nur vom Verkäufer Provision, die dann bei bis zu drei Prozent liegt.“ In Deutschland seien Immobilienverkäufer je nach Region gewohnt, dass sie höchstens die Hälfte der Provision zahlen und die andere Hälfte vom Käufer getragen wird.
In Berlin etwa zahlt der Käufer einer Immobilie die Provision von etwa sieben Prozent komplett alleine. „Daher lässt sich das Modell von Purplebricks in Deutschland nicht eins zu eins umsetzen“, so Knuppertz.
6. Problem: Rockets Expansions-Ambitionen funktionieren nicht
Mit der Geschwindigkeit von Rocket Internet sollte es kurz nach dem Start gleich in andere Länder gehen. „Es wurde der Plan diskutiert, nach Australien zu expandieren“, sagt ein Insider. „Doch niemand wusste richtig, wie das Makler-Geschäft in Australien überhaupt funktioniert.“ Es habe sich schnell gezeigt, dass sich das konservative Immobiliengeschäft nur schwer auf andere Märkte übertragen lasse.
Wo steht McMakler?
Während Rocket Vendomo begraben hat, schlägt sich McMakler auf den ersten Blick recht gut. Das Startup ist laut eigenen Angaben mittlerweile in 16 Städten aktiv und hat mehr als 100 Mitarbeiter. Der Investor DN Capital ist eingestiegen, der auch an dem britischen Purplebricks beteiligt war. Bei entscheidenden Problemen mit dem Festpreis-Modell habe das Startup eingelenkt, erklärt McMakler-Gründer Hanno Heintzenberg in einer Mail an Gründerszene. Das Wichtigste: Man hat bei Hausverkäufen den Festpreis aufgegeben.
Heintzenberg schreibt: „Der Festpreis widerspricht der Preismaximierung, die das prozentuale Modell fördert“. Außerdem sei ein Festpreis bei Verkäufern in den wenigsten Regionen üblich. Viele Verkäufer würden sich die Frage stellen, weshalb sie „für etwas eigentlich ,Kostenloses‘ zahlen“ sollen.
In Sachen Vermietung setzt McMakler auf Partnerschaften. Man würde „selbstverständlich auch mit Geschäfts- und Großkunden zusammenarbeiten“, so Heintzenberg. „Diese Kooperationen sind in der Tat attraktiv“. Denn dadurch kann McMakler auf einen Schlag Zugang zu vielen Wohnungen bekommen.
Fazit
Dass McMakler den Festpreis für Hausverkäufer kurz nach dem Ende von Vendomo abgeschafft hat, zeigt, wie schwierig das Marktumfeld ist. Das Modell des britischen Purplebricks lässt sich nicht einfach auf Deutschland übertragen. Bei der Vermietung muss es dem Startup gelingen, langfristig effizient zu arbeiten. Insgesamt kann es nur mit besonders ausgefeilter Software gelingen, gegen die Konkurrenz der lokalen Makler zu bestehen.
Dabei ist es in diesem Business besonders wichtig, dass sich die Marke etablieren muss. Denn wer vertraut seinen Hausverkauf – bei dem es um viele tausend Euro geht – einem Unternehmen an, das nicht auf erfolgreiche Beispiele verweisen kann?
Andere Player wie Maklaro (ehemals ImCheck24) konzentrieren sich lieber nur auf ein Geschäft – das Verkaufen. So könnte eine Erfolgsstrategie ebenfalls aussehen.
Quelle: Gründerzene